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Während in Deutschland die Telemedizin unter Druck steht und konservative Stimmen eine Rücknahme des Cannabisgesetzes fordern, zeichnet sich in anderen Ländern Europas eine ganz andere Entwicklung ab. Slowenien befindet sich aktuell auf dem Weg zu einer modernen und evidenzbasierten Cannabispolitik.
Das Land hatte bereits zuvor eine vergleichsweise liberale Haltung – der Besitz geringer Mengen wurde dort lediglich als Ordnungswidrigkeit geahndet. Nun steht eine umfassendere Legalisierung bevor, die in Teilen zu den fortschrittlichsten Regelungen Europas zählen könnte – insbesondere im Hinblick auf den Straßenverkehr.
Verbesserter Zugang zu medizinischem Cannabis
Erst vor wenigen Tagen verabschiedete das slowenische Parlament ein neues Gesetz, das Patientinnen und Patienten einen deutlich unkomplizierteren Zugang zu medizinischem Cannabis ermöglichen soll. Mit breiter parlamentarischer Mehrheit beschlossen, hebt das Gesetz frühere Einschränkungen auf, die bisher nur den Zugang zu bestimmten Fertigarzneimitteln erlaubten. Künftig ist die Nutzung von Hanf zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken vollständig legalisiert.
Ziel ist ein möglichst einfacher und sicherer Zugang zu Cannabisblüten auf ärztliche Verschreibung. Ärztinnen und Ärzte dürfen laut Gesetz künftig bei jeder Art von Erkrankung Cannabisblüten verschreiben – die Gültigkeit des Rezepts beträgt jeweils einen Monat. Die Abgeordnete Sara Žibrat betonte, dass auch der Anbau möglichst unbürokratisch und ohne Monopolstrukturen gestaltet werden soll. Jedes Unternehmen, das die gesetzlichen Anforderungen erfüllt, kann eine Lizenz zum Anbau beantragen. Zuständig für die Vergabe ist die Agentur für Arzneimittel und Medizinprodukte (JAZMP). Im Zentrum steht eine patientenfreundliche Versorgung – praxisnah, transparent und offen für alle geeigneten Anbieter.
Gesetzesentwurf zur Legalisierung von Freizeitkonsum
Parallel zur Reform im medizinischen Bereich wurde in der Nationalversammlung ein weiterer Gesetzesentwurf eingebracht – diesmal zur Legalisierung des privaten Freizeitkonsums. Eingereicht wurde er von Abgeordneten der Parteien Swoboda und Levice. Der Entwurf sieht vor, dass Erwachsene künftig bis zu vier Cannabispflanzen für den Eigenbedarf anbauen dürfen. In den eigenen vier Wänden sollen pro Person bis zu 150 Gramm gelagert werden dürfen. Für den öffentlichen Raum ist eine Besitzgrenze von sieben Gramm vorgesehen.
Wenig überraschend stößt der Entwurf auf Kritik konservativer Parteien. Die linke Abgeordnete Nataša Sukič verteidigte das Vorhaben jedoch mit Verweis auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, die belegen, dass Cannabis nicht gefährlicher sei als Alkohol oder Tabak. Ziel des Gesetzes sei es, Konsumenten zu entstigmatisieren und einen sicheren Umgang mit der Substanz zu ermöglichen.
Fachgeschäfte für den Verkauf sind derzeit nicht vorgesehen. Auch der private Handel bleibt verboten. Erlaubt ist hingegen die unentgeltliche Weitergabe im Rahmen der gesetzlichen Mengen. Weiterhin untersagt bleibt der Konsum in Gegenwart von Minderjährigen, insbesondere im Umfeld von Bildungseinrichtungen.
Evidenzbasierte Regelung im Straßenverkehr
Besondere Beachtung verdient der geplante Umgang mit Cannabis im Straßenverkehr. Der Gesetzesentwurf sieht eine realitätsnahe, an der tatsächlichen Beeinträchtigung orientierte Regelung vor – ähnlich wie bei Alkohol. Geplant ist ein gestuftes System von THC-Grenzwerten im Blut: Liegt der Wert bei 3 Nanogramm pro Milliliter, wird nur dann eine Sanktion verhängt, wenn zusätzlich Ausfallerscheinungen festgestellt werden. In diesem Fall drohen 300 € Bußgeld und vier Strafpunkte.
Ein Wert zwischen drei und fünf Nanogramm wird mit 600 € und acht Punkten geahndet. Ab fünf Nanogramm erhöht sich die Strafe auf 1.200 € und 18 Punkte im Führerscheinregister. Entscheidend: Die Werte beziehen sich auf Messungen im Vollblut – eine Methode, die als deutlich aussagekräftiger gilt als die in Deutschland übliche Messung im Serum. Zum Vergleich: Der deutsche Grenzwert von 3,5 ng/ml Serum entspricht etwa 1,75 ng/ml im Vollblut – und liegt damit weit unterhalb einer tatsächlichen Beeinträchtigung.
Kein THC-Drogentest am Arbeitsplatz
Ein weiterer Punkt des Gesetzesentwurfs ist der Schutz von Konsumenten am Arbeitsplatz. So sollen Arbeitgeber künftig keine Drogentests auf THC durchführen dürfen. In Deutschland fehlt eine einheitliche Regelung – in vielen Betrieben sind Drogentests zwar nicht verpflichtend, können aber arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Slowenien hingegen setzt auf gesetzliche Klarheit zugunsten der Arbeitnehmer und will THC-Tests am Arbeitsplatz explizit untersagen.
Auch die Bevölkerung zeigt sich offen für eine neue Cannabispolitik. Bereits bei einem Referendum im Herbst 2023 sprachen sich 51,57 % der Wählerinnen und Wähler für die Legalisierung des Freizeitkonsums aus – ein klares Signal für Reformen.
Slowenien wird zum Vorbild
Slowenien zeigt, dass eine fortschrittliche Cannabispolitik möglich ist – evidenzbasiert, patientenorientiert und ohne ideologische Scheuklappen. Während andere europäische Länder mit halb garen Kompromissen oder politisch motivierten Rückschritten kämpfen, setzt Ljubljana auf pragmatische Lösungen: vom verbesserten Zugang zu medizinischem Cannabis über ein durchdachtes Eigenanbaukonzept hin zu einem nachvollziehbaren THC-Grenzwert im Straßenverkehr.
Besonders bemerkenswert ist der Versuch, rechtliche Rahmenbedingungen nicht nur zu lockern, sondern auch an wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem tatsächlichen gesellschaftlichen Bedarf auszurichten. Sollte der Entwurf zum Freizeitkonsum ebenfalls Gesetz werden, könnte Slowenien sich in Europa als Vorreiter einer neuen, modernen Cannabispolitik etablieren – und damit auch anderen Staaten den Weg ebnen.