Im sonnigen Süden Europas, genau gesagt in Portugal, ereigneten sich in jüngerer Vergangenheit Dinge, die man eher aus Krimis oder Filmen kennt: Portugiesische Ermittler enttarnten kriminelle Strukturen, die dort als Produzenten medizinischen Cannabis agierten und auf Basis der dortigen Liberalisierung ihre Geschäfte betrieben. Die Staatsmacht ging gegen die illegalen Machenschaften mit der Operation „Erva Daninha“ (portugiesisch: Unkraut) vor, die in enger Kooperation mit Spaniens Policía Nacional bereits 2022 anlief und nun die ersten wichtigen Ergebnisse liefert.
Schlupflöcher im Gesetz
Nach Kanada ist Portugal der zweitgrößte legale Cannabisproduzent der Cannabisbranche. Dort wurden seit der Legalisierung strenge Vorschriften für Anbau, Verarbeitung und Handel etabliert. Rund 41 Anbauer, 24 Hersteller sowie jeweils 51 Import- und Exportunternehmen sind in dem Land offiziell registriert. Doch offenbar war genau dieses engmaschige Genehmigungsnetz das Einfallstor für Betrugsgeschäfte. Eine kriminelle Organisation kaufte pharmazeutische Firmen auf, gründete Handelsgesellschaften mit Zulassung für Großhandel, Einfuhr und Ausfuhr und schmuggelte über gefälschte Exportzertifikate tausende Kilo Gras in europäische und afrikanische Märkte hinein.
64 Durchsuchungen und mehrere Haftbefehle sind erst der Auftakt
Vor einigen Tagen schlugen die Ermittler nach dreijährigen Ermittlungen schließlich zu: 64 Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen gab es auf dem Festland und der Insel Madeira, sechs weitere in Spanien, eine in Bulgarien und noch eine weitere in Zypern. Die Bilanz der Polícia Judiciária (ähnlich Kriminalpolizei): 7,3 Tonnen sichergestelltes Cannabis, 411.000 € sichergestelltes Bargeld, fünf Festnahmen, zwölf sichergestellte Fahrzeuge und elf Waffen. Portugal hat mit 300 Inspektoren, 48 Fachleuten, 24 Justizvollzugsbeamten, sechs Angestellten des Justizministeriums und drei Richtern gegen den organisierten Betrug durchgegriffen. Die Operation war ein großer Erfolg für die Ermittlungsbehörden und ein empfindlicher Schlag gegen das organisierte Verbrechen.
In einer Erklärung der Polícia Judiciária gegenüber dem Magazin Business of Cannabis heißt es:
„Die Ermittlungen ergaben, dass die kriminelle Organisation, die sich der Mängel im Inspektions- und Kontrollsystem für die Ausfuhr von medizinischem Cannabis in Portugal bewusst war, pharmazeutische Unternehmen aufkaufte, dann Handelsunternehmen gründete, die für den Großhandel, die Einfuhr und die Ausfuhr von medizinischem Cannabis lizenziert waren, und schließlich in Wirklichkeit mehrere Tausend Kilo Cannabis mit gefälschten Unterlagen und Zertifikaten an illegale Märkte lieferte.“
Medizinalcannabisbranche erfreut über Polizeierfolg
Die Freude einiger Akteure der medizinischen Cannabisindustrie über den Ermittlungserfolg der Polizei mag für den Cannabisfreund etwas merkwürdig erscheinen – schließlich sind die Behörden nicht gerade als Freund und Helfer für Cannabis, seine Konsumenten oder gar Unternehmen bekannt. An dieser Stelle jedoch wird durch die Operation Erva Daninha das Vertrauen in die legale Branche gestärkt und eine klare Grenze gezogen zu illegalen Machenschaften unter dem Deckmantel medizinischer Unternehmungen.
Juan Martinez, Leiter von Curaleaf International, einem US-Konzern mit Produktionsstätte in Portugal, lobte die Razzia und sagte in seiner Erklärung:
„Solche polizeilichen Maßnahmen tragen dazu bei, verantwortungsvolle Betreiber zu schützen und die Glaubwürdigkeit des Industriesektors zu erhalten. Bei Curaleaf International setzen wir uns für Transparenz, Qualität und eine vollständige Angleichung der Vorschriften in allen unseren Märkten ein. Wir begrüßen jede Maßnahme, die die Integrität der legalen Cannabisbranche aufrechterhält, und fokussieren uns weiterhin auf die Unterstützung von Patienten, die Förderung der wissenschaftlichen Forschung und den Aufbau eines verantwortungsvollen, nachhaltigen globalen Cannabissektors. Unsere Einrichtungen sind vollständig lizenziert, werden regelmäßig auditiert und arbeiten unter strikter Einhaltung der portugiesischen und europäischen gesetzlichen Vorschriften. Während einige in der Cannabisbranche die Regulierung als Belastung empfinden, sind wir der Meinung, dass eine solide Aufsicht und eine aktive Durchsetzung unerlässlich sind, um die Sicherheit der Patienten, die Produktqualität und das öffentliche Vertrauen zu gewährleisten.“
Ähnlich positiv äußerte sich auch Denise Faltischek, Chief Strategy Officer von Tilray, die eine 15.000 m²-Anlage in Cantanhede betreiben, in einem LinkedIn-Posting:
„Der jüngste Polizeieinsatz in Portugal hat erhebliche Verstöße gegen das Vertrauen und geltende Vorschriften in unserem Sektor ans Licht gebracht. Ich lobe die Bemühungen der Polícia Judiciária bei der Aufdeckung der mutmaßlichen illegalen Aktivitäten, die leider den Ruf von medizinischem Cannabis geschädigt haben. Die Enthüllungen, dass bestimmte pharmazeutische Unternehmen, die für die Herstellung und den Verkauf von medizinischem Cannabis zugelassen sind, vermutlich in einen internationalen Drogenhandel verwickelt waren, sind äußerst beunruhigend. Die Fälschung von Produktionslizenzen für Arzneimittel und die Ausnutzung von Schwachstellen in der Gesetzgebung, um medizinisches Cannabis auf den Schwarzmarkt zu bringen, untergraben die legitimen Bemühungen zahlloser Fachleute, die sich für eine sichere und ethische Verwendung von medizinischem Cannabis einsetzen.
Dieser Vorfall erinnert uns eindringlich daran, wie wichtig eine strenge Aufsicht und die strikte Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen sind. Es ist unerlässlich, dass wir als Branchenführer mit Regulierungsbehörden wie Infarmed (ähnlich dem deutschen BfArM) und anderen nationalen Behörden zusammenarbeiten, um die Inspektions- und Kontrollsysteme zu stärken. Auf diese Weise können wir Verstöße verhindern und die Integrität unserer Branche schützen.“
Nun bleibt einerseits abzuwarten, ob die Polícia Judiciária noch weitere Einsätze im Rahmen der Erva Daninha plant und vor allem auch, welche Konsequenzen die Beteiligten zu erwarten haben. Ebenso wie die gesetzliche Lage von Cannabis als Medizin in Portugal, so erzeugt auch das CanG in Deutschland ein Spannungsfeld zwischen Liberalisierung und Kontrollmechanismen, die die Einhaltung der Vorschriften überprüfen sollen. Dies liegt in der Natur von Gesetzen, die überbürokratisiert sind und zu viele einzelne Regeln beinhalten, deren Einhaltung schwer zu kontrollieren ist.