Als multisystemische Erkrankung geht Diabetes häufig mit einer Reihe weiterer Folgeerkrankungen einher. Eine dieser Begleiterscheinungen ist die diabetische Neuropathie. Etwa 50 Prozent der Diabetespatienten sind im Laufe ihres Lebens davon betroffen. Es handelt sich dabei um eine Nervenschädigung, die durch dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte verursacht wird und sich in Form von Schmerzen und Missempfindungen äußert.
Die Behandlung ist oft schwierig, da Opioide – abgesehen von ihrer hohen Suchtgefahr – bei chronischen neuropathischen Schmerzen nur begrenzt wirksam sind. Auch andere Schmerzmittel führen häufig nicht zu einer ausreichenden Linderung. Eine kürzlich veröffentlichte Langzeitstudie aus Israel konnte nun zeigen, dass medizinischer Hanf signifikante Schmerzlinderung bei gleichzeitig geringen Nebenwirkungen bewirken kann. Durch die Gabe von Hanf zusätzlich zur Standardtherapie wurden nicht nur Schmerzen reduziert, sondern auch die Blutzuckerwerte verbessert.
Studie an 50 Patienten
Für die Studie wurden 50 Patienten rekrutiert, die an therapieresistenter diabetischer Neuropathie litten. Bei allen Teilnehmern waren mindestens drei Behandlungsversuche mit herkömmlichen Methoden erfolglos geblieben. Die Patienten erhielten medizinischen Hanf mit einem THC-Gehalt von 20 % und einem CBD-Gehalt von unter 1 %, der über einen Vaporizer inhaliert wurde.
Die inhalative Anwendung wurde gewählt, um bei akuten Schmerzen einen schnellen Wirkungseintritt zu gewährleisten. Die Dosierung wurde individuell an die Bedürfnisse der Patienten angepasst. Über einen Zeitraum von fünf Jahren wurden die Teilnehmer begleitet, um die Langzeitwirkung der Hanftherapie zu erfassen.
Das Schmerzempfinden sowie motorische Beeinträchtigungen wurden regelmäßig anhand standardisierter Skalen bewertet – dem BPI (Brief Pain Inventory) und dem LANSS-Score (Leeds Assessment of Neuropathic Symptoms and Signs). Der BPI bewertet Art und Intensität neuropathischer Schmerzen auf einer 10-Punkte-Skala, während der LANSS-Score Schmerzen und Missempfindungen von 0 bis 24 Punkten einordnet.
Zusätzlich wurden die langfristigen Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel erfasst, gemessen am HbA1c-Wert. Dieser zeigt an, welcher Anteil des Hämoglobins im Blut an Zucker gebunden ist und gibt damit Aufschluss über den durchschnittlichen Blutzuckerwert der letzten 8 bis 12 Wochen. Bei gesunden Personen liegt dieser Wert unter 5,7 %.
Drastische Schmerzreduktion und weniger Opioide
Die Ergebnisse waren beeindruckend: Zu Beginn der Studie lag der durchschnittliche BPI-Wert der Teilnehmer bei 9 Punkten. Durch die Hanftherapie sank dieser auf 2 Punkte. Auch die gefühlte Beeinträchtigung nahm deutlich ab – von durchschnittlich 7,5 auf 2,2 Punkte. Auf der LANSS-Skala zeigte sich eine Verbesserung von 19,4 auf 10,2 Punkte.
Damit erwies sich Hanf als hochwirksame Zusatzbehandlung, um Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität deutlich zu steigern. Ferner sank der durchschnittliche HbA1c-Wert von 9,77 % auf 7,79 %, was auf eine spürbare Verbesserung des Blutzuckerspiegels hinweist.
Ein weiterer positiver Effekt: Der Opioidverbrauch der Teilnehmer ging deutlich zurück – umgerechnet um bis zu 62 Morphinäquivalente. Diese Kennzahl zeigt, welche Dosis eines Opioids benötigt wird, um die Wirkung von einer bestimmten Menge Morphin zu erreichen.
Geringe Nebenwirkungen und stabile Ergebnisse
Die Therapie wies ein ausgesprochen günstiges Sicherheitsprofil auf. Nur 15,4 % der Patienten berichteten über leichte Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit. Die positiven Effekte blieben über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg stabil.
Für Patienten ist das eine große Erleichterung, da Opioide bekanntermaßen eine starke Toleranzentwicklung hervorrufen, was häufig zu einer Dosiserhöhung führt. Der Blutzuckerspiegel blieb bei den Studienteilnehmern über die gesamte Laufzeit konstant stabil.
Die Forschenden vermuten, dass die neuroprotektiven Eigenschaften von Hanf zusätzlich dazu beitragen könnten, das Fortschreiten der Nervenschädigung zu verlangsamen. Noch nicht vollständig verstanden ist, über welchen Mechanismus die Aktivierung der CB1- und CB2-Rezeptoren die Symptome der diabetischen Neuropathie lindert. Künftige größere Studien mit Biomarkeranalysen sollen helfen, diese Prozesse besser zu verstehen und Therapien noch individueller anzupassen.
Quellen
- Studie: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/41153689/
- HbA1C erklärt: https://www.gesundheitsinformation.de/hba1c-haemoglobin-a1c-wert.html
- BPI erklärt: https://www.schmerzgesellschaft.de/fileadmin/pdf/LONTS_Praxiswerkzeug_03.pdf
- LANSS erklärt: https://www.digotor.info/Downloads/Scores/Schmerz_Psych/Leeds_Assessment_of_Neuropathic__Symptoms_and_Signs_LANSS_09-2023.pdf























