Neben Italien hat das Nachbarland Frankreich eines der strengsten Cannabisgesetze in der EU. Selbst der bloße Konsum von Cannabis ist verboten und kann mit bis zu einem Jahr Haft geahndet werden. Es hängt vom individuellen Fall und der Vorgeschichte ab, inwiefern das Strafmaß ausgeschöpft wird, aber alleine die Tatsache, dass der Konsum einer Pflanze jemanden hinter Gittern bringen kann, ist schon absurd. Ähnlich wie in Österreich gibt es auch in Frankreich keinen Grenzwert von THC im Straßenverkehr.
In den Gesetzestexten findet sich eine ganze Flut an Schikanen und Sachverständigengutachten, die losgetreten werden, wenn Spuren von THC nachgewiesen werden. CBD-Produkte, die den Führerschein kosten, sind legal. Auch zahlreiche synthetische Cannabinoide, die im Grunde niemand kennt, finden sich in Onlineshops. Vieles in der Drogenpolitik ist widersprüchlich. Trotz dieser strengen Gesetze hat Frankreich eine der höchsten Konsumraten von Cannabis in ganz Europa. Nun könnte es aber im Sektor des medizinischen Cannabis eine Liberalisierung geben.
Aktuelles Pilotprojekt
Trotz dieser restriktiven Politik verschließt man sich in Frankreich nicht gänzlich gegen die medizinischen Eigenschaften von Hanf. Das Thema medizinisches Cannabis wird bereits seit mehreren Jahren sehr kontrovers diskutiert. Seit März 2021 läuft in Frankreich ein Pilotprojekt, bei dem eine Gruppe von etwa 1.800 Patienten mittels einer Ausnahmegenehmigung Cannabis erhält. Es handelt sich dabei um schwere Erkrankungen, die nachweislich nicht auf andere Therapien ansprechen.
Dieses Pilotprojekt wurde von verschiedenen Seiten immer wieder kritisiert, sodass es mehrfach unterbrochen und letztlich doch wieder fortgesetzt wurde. Ein hartnäckiger Streitpunkt war auch immer wieder die Frage, ob Blüten oder Fertigarzneien verwendet werden sollen. Das aktuelle Pilotprojekt wird bis Ende März 2026 laufen. Da sich die Wirkung offenbar bewährt, will man jetzt einen Schritt weiter gehen und auch in Zukunft Cannabisblüten unter bestimmten Umständen an Patienten abgeben.
Abgabe von Cannabisblüten in sicheren Kartuschen
Nach jahrelangem Warten wurde nun die Zulassung erteilt, bei bestimmten medizinischen Indikationen Cannabis in Form von Blüten abzugeben. Mit einer entsprechenden Umsetzung ist voraussichtlich ab 2026 zu rechnen. Die Abgabe soll hierbei in sicheren Kartuschen erfolgen, um einen Missbrauch zu Rauschzwecken zu vermeiden. Diese werden dann in einem dafür vorgesehenen Vaporizer verdampft, der definierte Einzeldosen abgibt. Wie eine Kartusche konstruiert sein soll, um manipulationssicher zu sein, wurde nicht im Detail erläutert. Dass so etwas überhaupt in einem Gesetzestext genannt wird, zeigt vielmehr, welch tief sitzende Gehirnwäsche die vergangenen 100 Jahre Prohibition hinterlassen haben.
Das Wort „Rausch“ wird pauschal mit etwas Negativem und mit Missbrauch assoziiert. Doch was bedeutet Rausch eigentlich? Letztlich ist es eine Verbesserung der Stimmung. Es stellt sich die Frage, ob es nicht wenigstens einem Schwerstkranken gestattet sein sollte, eine Pflanze zur Stimmungsaufhellung zu benutzen. Die Welt wird nicht besser oder schlechter, wenn er diese Kartusche öffnet. Unklar ist aktuell noch, inwiefern die Krankenkasse die Kosten übernehmen wird. Im aktuellen Pilotprojekt werden die Kosten vollständig von der Krankenkasse bezahlt. Ob dies auch bei der späteren Abgabe der Fall sein wird, ist aktuell nicht definiert.
Verschreibung in Ausnahmefällen
Die aktuelle Neuerung sieht vor, Cannabisblüten bei den gleichen Indikationen abzugeben, die auch im oben genannten Modellprojekt Voraussetzung für die Teilnahme waren. Dazu gehören therapieresistente neuropathische Schmerzen, therapieresistente Epilepsie und wörtlich hartnäckige Symptome in der Onkologie im Zusammenhang mit Krebs. Es ist vollkommen menschenverachtend, dass man selbst als Krebspatient darüber diskutieren muss, ob man krank genug ist, um eine Heilpflanze benutzen zu dürfen.
Dass Cannabis nur in Ausnahmefällen und tendenziell als letzte Option benutzt wird, ist grundsätzlich der falsche Ansatz. Die nüchterne Wahrheit ist, dass man mit der Erlaubnis von Eigenanbau für Patienten kein Geld verdienen könnte, deswegen wird der Umweg über fragwürdige Vertriebsmodelle gegangen. Es bleibt zu hoffen, dass auch hier in den kommenden Jahren eine weitere Liberalisierung stattfindet und Cannabis vielmehr Teil der Standardmedikation bei einer Vielzahl von Erkrankungen wird. In Anbetracht der aktuellen absurden und restriktiven Lage in Frankreich ist es natürlich dennoch ein enormer Fortschritt in die richtige Richtung.