Justiz und Polizei meldeten sich erst vor einer Woche erneut aus Baden-Württemberg in den Medien zu Wort: Das Cannabisgesetz (CanG) würde ihre Arbeit gegen den Schwarzmarkthandel mit Marihuana nicht erleichtern, sondern vielmehr deutlich erschweren. Bereits vor gut einem Jahr kam ebenfalls aus Baden-Württemberg die Aussage, dass Cannabis kurz nach dem Inkrafttreten des CanG nicht aus legalen Quellen stammen könne. Somit jeder Konsument ein möglicher Zeuge in einem Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Dealer sei und daher bei Vernehmungen wahrheitsgemäße Aussagen zu tätigen habe. Die Entwicklung in Deutschland im Jahr 2025 zeigt jedoch ein verändertes Bild.
Laut Gesundheitsministerium und der neuen Gesundheitsministerin Nina Warken habe es in Deutschland einen „verstörenden Anstieg“ bei der Nutzung von Medizinalhanf gegeben, der den Verbrauchern in erster Linie durch darauf spezialisierte Online-Portale verschrieben werde. Da Warken hier ein großes Missbrauchspotenzial vermutet, beabsichtigt sie, die dort getätigten Verschreibungen künftig stark einzuschränken.
Missbrauch verhindern
Laut Warken sei Cannabis eine Rauschdroge, die besonders junge Menschen und Jugendliche gefährden könne. Da sie den hohen Anstieg der „leicht zugänglichen Online-Verschreibungen“ und die gestiegene Menge der darauffolgenden Cannabiseinkäufe in Apotheken beobachtete, möchte sie derartige medizinische Dienstleistungen künftig einschränken. Es sei einfach zu leicht, sich online in einem solchen Portal anzumelden und nach dem Ausfüllen einer Checkliste an medizinisches Cannabis zu gelangen.
Dies könnte auch einen Anstieg des Verbrauchs von Medizinalhanf im Land erklären – von 31 Tonnen zwischen April 2023 und April 2024 auf 100 Tonnen in den darauffolgenden zwölf Monaten. Für Nina Warken ist diese Steigerung in jedem Fall „verstörend“, und es scheint für sie eindeutig, dass hier Missbrauch durch reguläre Genusskonsumenten betrieben werde. Doch dies sei nicht im Sinne des Gesetzgebers gewesen. Warken betont, dass medizinisches Cannabis nicht für den normalen Konsum gedacht sei, sondern nur von Menschen genutzt werden solle, die es aufgrund schwerer Erkrankungen benötigen.
Vom Schwarzmarkt zur Apotheke
Die Verdreifachung des verkauften Medizinalhanfs innerhalb der letzten zwölf Monate wird vom Geschäftsführer der Cannamedical Pharma GmbH, David Henn, jedoch anders gedeutet als von der Ministerin. Der Markt für medizinisches Cannabis wachse, und Menschen, die Cannabis zur Behandlung ihrer Leiden früher auf dem Schwarzmarkt besorgten, griffen nun aus guten Gründen auf Angebote aus der Apotheke zurück.
Es war in der Vergangenheit schließlich nicht einfach, einen fähigen Mediziner zu finden, der einer Verschreibung von Cannabis aufgeschlossen gegenüberstand – zumal es zahlreiche bürokratische Hürden gab, bevor eine Therapie mit der unter das Betäubungsmittelgesetz fallenden Naturarznei begonnen werden konnte. Es erscheint somit nachvollziehbar, dass Menschen jetzt – dank einer vereinfachten Möglichkeit, an diese vielversprechende Medizin zu gelangen – auch in Eigenregie derartige Online-Angebote nutzen, wenngleich sie damit „nur“ ihre Schlafstörungen behandeln wollen.
Gute Argumente für Medizinalhanf
Selbst Nina Warken räumt ein, dass legal gehandeltes Marihuana aus medizinischer Produktion viele Vorteile gegenüber Schwarzmarktcannabis unbekannter Herkunft mit sich bringt. So wird sie dahingehend zitiert, dass es logisch sei, in der Apotheke eine bessere Qualität als bei Straßenhändlern erwarten zu dürfen. Auch die feste Preisgestaltung sowie die fehlende Interaktion mit illegalen Dealern sind Vorteile. Dass auf dem Schwarzmarkt laut Adam Riese im vergangenen Jahr ganze 69 Tonnen weniger illegale „Rauschwaren“ verkauft wurden, der Staat durch den regulierten Handel Steuereinnahmen generierte und weniger Nutzer strafrechtlich verfolgt werden mussten, wird hingegen nicht explizit erwähnt.
Zu Wort kommt dafür aber noch Prof. Dr. Dr. Joachim Nadstawek, der Leiter des Schmerzzentrums Bonn. Er hat weitere positive Erfahrungen mit Cannabis aus der Apotheke bei Patienten beobachtet. Für ihn habe sich das Spektrum in der Schmerztherapie seit Inkrafttreten des CanG erweitert. Es biete neue Möglichkeiten in der Behandlung, die sogar so weit führten, dass Patienten die Dosis ihrer Schmerzmedikamente verringerten oder Opiate ganz absetzen konnten. Die Hälfte der Nutzer von Medizinalhanf berichtete dabei von einer „deutlich gesteigerten Lebensqualität“. Eine ärztliche Betreuung sei jedoch in jedem Fall entscheidend für den Erfolg der Behandlung – ein Punkt, der bei Online-Portalen womöglich zu kurz kommen könne.
Der Weg zurück zum Schwarzmarkt
Mit einer zukünftigen Einschränkung des erleichterten Zugangs zu medizinischem Cannabis wären viele der genannten positiven Aspekte dahin – und der gepflasterte Weg zurück zum Straßenverkäufer wäre die sich erneut bietende, jedoch nur bedingt zu empfehlende Alternative. Zweimal darüber nachzudenken, schadet daher wohl nicht.