Seit April 2024 gilt das neue Cannabisgesetz (CanG) – und schon jetzt steht es unter wissenschaftlicher Beobachtung. Auf einer Fachkonferenz präsentierte Jakob Manthey vom Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) erste Einblicke in die laufende Evaluation. Ziel: Herauszufinden, wie sich das Gesetz tatsächlich auf Konsum, Prävention, Verkehr und Kriminalität auswirkt.
Die Legalisierung von Cannabis in Deutschland war ein politischer Meilenstein – aber einer mit wissenschaftlicher Begleitung. Anders als frühere Drogengesetze wurde das CanG von Beginn an mit einem klaren Auftrag zur Evaluierung verabschiedet. Verantwortlich dafür ist das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg, eines der renommiertesten Institute für Drogen- und Präventionsforschung im deutschsprachigen Raum.
Auf einer Fachtagung zur Cannabispolitik lieferte Jakob Manthey, wissenschaftlicher Leiter des Evaluationsprojekts, nun einen ersten Überblick über die Herangehensweise, Fragestellungen und frühen Eindrücke.
Was wird eigentlich genau untersucht?
Im Fokus der Evaluation stehen vier zentrale Bereiche:
- Konsumverhalten: Wie verändert sich der Cannabiskonsum durch das Gesetz? Greifen mehr Menschen zu – oder nur andere Zielgruppen? Gibt es Verschiebungen beim Einstiegsalter oder Konsummustern?
- Jugendschutz: Wie gut gelingt es, den Zugang für Minderjährige zu begrenzen? Welche Rolle spielen dabei Eltern, Schulen und Peer-Gruppen?
- Verkehrssicherheit: Haben sich Auffälligkeiten im Straßenverkehr verändert? Gibt es mehr THC-Fälle bei Verkehrskontrollen?
- Kriminalität und Strafverfolgung: Wie wirkt sich die Entkriminalisierung auf Polizeiarbeit, Justiz und Statistiken aus?
Manthey betonte: „Wir wollen nicht nur Zahlen erheben, sondern Zusammenhänge verstehen – also welche Mechanismen hinter einer Veränderung stehen.“
Ein differenziertes Bild statt schneller Urteile
Die öffentliche Debatte rund um die Legalisierung ist häufig polarisiert – je nach politischem Lager oder persönlicher Haltung. Die wissenschaftliche Begleitung hingegen setzt auf Differenzierung: Es gehe nicht darum, die Legalisierung pauschal gut oder schlecht zu bewerten, sondern deren konkrete Wirkungen messbar zu machen – auf Grundlage valider Daten, nicht auf Basis von Meinungen.
Dabei setzt das ZIS auf einen Methodenmix: quantitative Befragungen in der Bevölkerung, qualitative Interviews mit Fachpersonal aus Prävention, Strafverfolgung und Medizin sowie die Analyse amtlicher Statistiken aus Polizei, Justiz und Gesundheitswesen. Erste Zwischenergebnisse sind für Ende 2025 angekündigt.
Warum die Evaluation so wichtig ist
Die wissenschaftliche Begleitung des CanG hat auch politische Bedeutung. Denn viele Regelungen im Gesetz sind bewusst als „lernende Regulierung“ angelegt – mit der Option auf Anpassung. Das betrifft etwa Grenzwerte im Straßenverkehr, die erlaubte Besitzmenge, die Struktur der Anbauvereinigungen oder Präventionsmaßnahmen.
Ohne belastbare Daten droht jede politische Nachjustierung ins Leere zu laufen – oder in ideologische Debatten abzudriften. Genau hier setzt das ZIS an. Manthey: „Wir schaffen die Grundlage dafür, dass Veränderungen im Gesetz nachvollziehbar, datenbasiert und evidenzgestützt erfolgen können.“
Erste Trends: Noch keine klaren Aussagen möglich
Ob sich bereits konkrete Trends abzeichnen, bleibt offen. Manthey mahnt zur Geduld: „Ernstzunehmende Entwicklungen brauchen Zeit. Wir befinden uns mitten im Prozess.“ Es sei zwar nachvollziehbar, dass Politik und Öffentlichkeit schnelle Ergebnisse erwarteten – doch gerade im Bereich Sucht und Verhalten seien Langzeitbeobachtungen essenziell.
Einen vorsichtigen Ausblick wagt er dennoch: „Wir sehen, dass der Konsum unter Jugendlichen nicht automatisch steigt. Entscheidend wird aber sein, wie gut die Präventionsarbeit jetzt greift.“
Blick nach vorne
Mit dem CanG ist Deutschland einen neuen Weg gegangen – weg von der reinen Repression hin zu einem regulierten, kontrollierten und begleiteten Umgang mit Cannabis. Ob dieser Weg erfolgreich ist, wird maßgeblich davon abhängen, wie ehrlich und ergebnisoffen die Evaluation verläuft.
Dass mit dem ZIS ein erfahrenes, unabhängiges Forschungszentrum die Federführung übernimmt, ist ein positives Signal. Die kommenden Monate und Jahre werden zeigen, ob die Vision einer modernen Cannabispolitik auch in der Realität funktioniert – und wo nachgesteuert werden muss.
Quellen und weiterführende Links
ZIS/UKE Hamburg via PubMed (PMC): „Germany’s cannabis act: a catalyst for European drug policy reform?“, Mai 2024 – Kontext zur CanG-Struktur, ZIS-Beteiligung und Risiken.
DHS Newsletter 2‑2025: Hinweis auf die offizielle ZIS-Evaluation (Ekocan) und erwartete erste Ergebnisse im Herbst 2025.
PDF zum „Therapieladen“-Fachtagung am 11. Juli 2025 in Berlin: „Alles bleibt anders“ – Framework und offizieller Hintergrund der Veranstaltung