Ein heißer Herbst – die Hanfbranche blickt gespannt nach Brüssel: Im September 2025 will das Europäische Parlament über weitreichende Änderungen im Umgang mit Nutzhanf beraten. Im Zentrum stehen zwei zentrale Fragen: Soll die Blüte künftig EU-weit als vollwertiges Agrarprodukt gelten – und soll der zulässige THC-Grenzwert von derzeit 0,3 auf 0,5 Prozent angehoben werden?
Von der Kommission ins Parlament
Bereits im Sommer hatte die Europäische Kommission vorgeschlagen, die Blüte ab 2027 offiziell in die Gemeinsame Agrarpolitik aufzunehmen. Nun könnte das Parlament diesen Kurs nicht nur bestätigen, sondern noch erweitern. Der Landwirtschaftsausschuss (COMAGRI) brachte einen Entwurf ein, der die vollständige Legalisierung aller Pflanzenteile vorsieht. Damit würden Landwirte und Verarbeiter mehr Rechtssicherheit erhalten, während bisherige Grauzonen beseitigt werden.
THC-Grenzwert als Streitpunkt
Besonders kontrovers ist die Debatte um den THC-Gehalt. Viele Bauern und Verbände fordern seit Jahren eine Anhebung, um natürliche Schwankungen besser abzufedern und Zugang zu widerstandsfähigen Sorten zu ermöglichen. Eine aktuelle Umfrage ergab, dass rund 87,5 Prozent den bisherigen Wert für zu niedrig halten. Mit 0,5 Prozent würde die EU einen Mittelweg einschlagen – strenger als die Schweiz mit 1,0 Prozent, aber flexibler als bisher.
Kritiker warnen allerdings, dass höhere Grenzwerte die Arbeit der Kontrollbehörden erschweren könnten. Konservative Abgeordnete fürchten zudem, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für Nutzhanf leiden könnte, wenn die Grenze aufgeweicht wird.
Signalwirkung für die Märkte
Für die Branche hätte eine solche Reform enorme Bedeutung. Investitionen in die Verarbeitung von Blütenprodukten – etwa für Lebensmittel, Kosmetik oder Öle – würden auf eine solide rechtliche Basis gestellt. Gleichzeitig wäre die Anhebung des THC-Werts ein deutliches Signal an Landwirte, dass Brüssel den Ausbau der Hanfflächen ernsthaft fördern will.
In Kombination mit den Plänen der Kommission zur GAP-Reform ab 2027 könnte so ein regelrechter Modernisierungsschub entstehen. Europa würde sich in Richtung einer einheitlicheren und wettbewerbsfähigeren Hanfwirtschaft bewegen.
Abstimmung mit Folgen
Noch sind viele Details offen. Ob das Parlament den Entwurf in dieser Form durchwinkt, wird maßgeblich vom Kräfteverhältnis zwischen liberalen und konservativen Fraktionen abhängen. Sicher ist jedoch: Mit der anstehenden Debatte rückt Nutzhanf stärker ins Zentrum europäischer Agrarpolitik.
Für die Branche bedeutet das einen historischen Moment – die Weichen könnten gestellt werden für mehr Rechtssicherheit, nachhaltige Perspektiven und eine Normalisierung, die lange überfällig ist.