Es vergeht kaum eine Woche, in der Gegner des deutschen Cannabisgesetzes (CanG) ihre Meinung über die Umstände kundtun und die Teillegalisierung kritisieren. Oft sind es die üblichen Verdächtigen aus der Politik und Suchtbehandlung, doch nahezu ebenso häufig melden sich Kräfte aus Polizei sowie Justiz zu Wort. Dann werden die altbekannten Phrasen aus Prohibitionszeiten wiederholt und einige Punkte angesprochen, die dem natürlich noch nicht perfekten Gesetz geschuldet sind.
Dieses kam in jener Form jedoch nur so beschnitten zustande, da Deutschland aufgrund von EU- und Völkerrecht einen sehr eingeschränkten Handlungsspielraum hat, was die Freigabe von Marihuana betrifft. Auch wenn selbst die Neue Richtervereinigung (NRV) die Vorteile in dem getätigten, wenn auch kleinen, Schritt erkennt und eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung (55 %) die Teilfreigabe von Cannabis befürwortet, sehen gewisse Personen bei Polizei und Sicherheitsbehörden die aktuelle Situation sehr kritisch. Die Teillegalisierung von Cannabis würde den Schwarzmarkt ankurbeln und zu einem deutlich höheren Arbeitsaufwand führen. Die bekannten Zahlen aus dem Sicherheitsbericht des vergangenen Jahres zeigen jedoch eine ganz andere Entwicklung auf.
Rauschgiftkriminalität stark gesunken
Eindeutige Kritik am CanG und Aussagen über deutliche Mehrarbeit aufseiten der Justiz und Polizei kommen erneut aus Baden-Württemberg, wo direkt nach dem Inkrafttreten des CanG im Langeweilemodus sofort gegen das Gesetz mobilgemacht wurde. Das zu diesem Zeitpunkt legale Marihuana könne niemals aus legalen Quellen stammen, weshalb die Personalien aller Cannabiskonsumierenden „zur Feststellung der Zeugeneigenschaft“ aufgenommen werden müssten. Anstatt sich über die gesetzlich festgelegte Freiheit, nicht länger jeden Konsumenten und Grower verfolgen zu müssen, zu freuen, sah man sich dort aus freien Stücken dazu berufen, weiterhin eine sinnlose wie diskriminierende Arbeit zu verrichten.
Ein gutes Jahr nach Inkrafttreten des CanG kann man alleine aus Baden-Württemberg berichten, dass die Rauschgiftkriminalität dort stark gesunken ist, weil gewöhnliche Nutzer des natürlichen Rauschmittels eben nicht länger zwingend als „Verbrecher“ behandelt werden müssen. Während dort noch zwischen Januar und März 2024 ganze 8.945 Delikte festgestellt worden waren, gab es von April bis Dezember des gleichen Jahres nach dem Umschwung in der Drogenpolitik nur noch 2.203 Verstöße zu vermelden. Wie swr.de meldet, spricht das Innenministerium des Bundeslandes dennoch davon, dass „die polizeilichen Kontrollen der Besitzmengen und die Bekämpfung des illegalen Handels (…) wesentlich komplexer geworden“ seien. Merkwürdig, da zuvor schließlich jeder Konsument sofortige Kontrollen und eine Papierlawine bei Polizei und Justiz auslöste.
Deutschlandweiter Trend
Nicht nur in Baden-Württemberg sind die positiven Auswirkungen des CanG spürbar. T-Online.de berichtet, dass laut dem Sicherheitsbericht aus dem letzten Jahr beim Thema Drogen insgesamt ein Abwärtstrend von 41 Prozent messbar gewesen sei. Diese Zahlen dürften sich dann auch in der jährlich erscheinenden Polizeistatistik widerspiegeln und die Quote aller aufgedeckten Verbrechen zum Leidwesen der bislang in diesem Bereich so erfolgreich agierenden Beamten ein wenig schmälern. Kein Wunder also, dass sich die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) öffentlich dahingehend äußert, dass das Gesetz nur schade. Es hinderte die Staatsmacht daran, wie bisher die organisierte Kriminalität zu bekämpfen.
Der illegale Drogen-Schwarzmarkt würde boomen, wird Ralf Kusterer, der Landesvorsitzende der DPolG, zitiert. Auch Touristen würden laut Alexander Poitz, dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP), extra nach Deutschland kommen, da sie die Cannabislegalisierung hierzulande missverstanden hätten. Ebenfalls seien Verkehrskontrollen bezüglich des neuen Grenzwertes von 3,5 Nanogramm THC im Blut schwerer durchzuführen, da es die entsprechenden Messgeräte noch nicht gäbe. Da das CanG neue Anforderungen mit sich brachte, wünscht man sich seitens dieser Gewerkschaft, das Gesetz anzupassen und Modellregionen mit staatlich kontrollierter Abgabe von Cannabis durch Geschäfte oder Apotheken einzuführen. Die DPolG hingegen ist für eine komplette Abschaffung und somit für die Rückkehr zur Kriminalisierung aller Konsumenten.
Ziele des CanG verfehlt?
Das baden-württembergische Justizministerium und die Ministerin der Justiz und für Migration, Marion Gentges (CDU), stellen sich ebenfalls nahezu vollständig gegen das CanG. Das Gesetz habe das Ziel verfehlt, die organisierte Kriminalität zu bekämpfen und den Schwarzmarkt auszutrocknen. In der Praxis habe es sich als massives Hindernis für die Strafverfolgung erwiesen und würde „zentrale Ermittlungsmethoden wie Telekommunikationsüberwachung, Online-Durchsuchungen und Standortdatenerhebung“ stark einschränken.
Es sollte überarbeitet werden, um den Ermittlungsbehörden erneut den Zugang zu allen notwendigen Instrumenten zu ermöglichen, so Gentges. Das Innenministerium verlangt eine Aufhebung der Legalisierung und somit ebenfalls zurück zu einer komplett gescheiterten Cannabispolitik, die über Jahrzehnte hinweg Gerichte überlastete und vielen friedlichen Bürgern große Probleme bereitete.
Klipp und klar
Es erscheint schon sehr befremdlich, wenn nur ein Jahr nach dem CanG derartige Kritik aufseiten von Polizei und Sicherheitsbehörden laut wird, obwohl das Gesetz zu einem großen und messbaren Rückgang von Drogenverstößen geführt hat. Trotz der durch EU- und Völkerrecht notwendigen Einschränkungen des CanG sind schließlich circa fünf Millionen Menschen in Deutschland von der Strafverfolgung befreit worden. Zudem haben – auch laut Nachrichten – Growshops und Online-Anbieter von Cannabisrezepten einen enormen Zulauf erhalten, sodass in beiden Fällen eine große Klientel der organisierten Kriminalität abhandengekommen ist und weniger Gelder in Schwarzmarktkassen gespült werden.
Privat agierende Hanfbauern (nur drei Pflanzen!) und frisch gebackene Cannabispatienten kaufen schließlich kein Gras mehr aus dem Görlitzer Park in Berlin. Wenn es aufgrund schleppender Bürokratie für die Anbauvereinigungen ewig dauert, bis ihre Cannabis Social Clubs die Arbeit aufnehmen können, um die Mitglieder mit legalem Marihuana zu versorgen, kann dies kein Kritikpunkt für das löbliche Vorhaben darstellen, Menschen schnellstmöglich aus den Klauen von Dealern zu befreien. Die Logik hinter der Kritik fehlt daher offensichtlich genauso wie nun die ehemals zu Unrecht verfolgten Konsumenten, die bislang für ein Aufhübschen der Kriminalstatistik und die Selbstbeweihräucherung übereifriger Beamter herhalten mussten.
Vergleichbar mit einem Prof. Dr. med. Rainer Thomasius, der derzeit öffentlich einen Zusammenhang zwischen steigendem Heroinmissbrauch und der Cannabislegalisierung herstellt – ohne nachvollziehbare Argumente für diesen Kontext aufzuführen. Dass auch diese Person in der Vergangenheit als ärztlicher Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf von verurteilten und daraufhin bei ihm eingewiesenen Cannabisnutzern profitierte, ist zumindest in der Hanfszene schon lange bekannt.
Der spürbare Wirkbeginn des CanG sollte daher von allen Zweiflern der tatsächlichen Effektivität bitte noch ein bisschen länger abgewartet werden.