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Eine besonders abstruse Ironie an der weltweiten Gesetzgebung rund um Cannabis ist die Tatsache, dass besonders aus Ländern, in denen ein drakonisches Verbot herrscht, einige der bekanntesten Hanfprodukte stammen. Jeder kennt die berühmten Haschischsorten wie den grünen Marokkaner oder den schwarzen Afghanen.
Durch den gesamten nordafrikanischen und orientalischen Raum zieht sich eine sehr ambivalente Logik im Zusammenhang mit Cannabis. Trotz einer drakonischen Verfolgung stammen gerade aus diesen Gegenden einige der ältesten traditionellen Hanfzubereitungen. Eines dieser Produkte ist Dawamesk. Dabei handelt es sich um eine Süßigkeit, die Cannabisbutter enthält und auf diese Weise psychoaktiv wirkt. Ursprünglich stammt Dawamesk aus Algerien, ist aber auch in vielen anderen nordafrikanischen Ländern verbreitet. In Europa scheint diese Süßspeise aktuell kaum verbreitet zu sein, spielte aber im 19. Jahrhundert eine große Rolle.
Eine psychoaktive Konfitüre
Zentraler Bestandteil von Dawamesk ist Cannabisbutter. Diese wird in diesem Fall traditionell aus Blättern hergestellt. Zwar enthalten Blätter vergleichsweise kaum THC, jedoch ist die Wirkung oral eingenommen erheblich stärker als geraucht, sodass dieses Defizit wieder ausgeglichen wird. Die Cannabisbutter wird verfeinert, indem sie hauptsächlich mit Honig, gemahlenen Pistazien und Mandeln vermengt wird. Je nach Zubereitung und Region werden verschiedene Gewürze hinzugefügt, wie Zimt, Nelken und Muskatnuss.
Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass auch Muskatnuss psychoaktiv ist. Zwar tritt die Wirkung der Muskatnuss selbst, erst in höheren Dosen ein, doch die Mischung von geringen Mengen mit THC, kann der psychoaktiven Wirkung eine besondere Note geben, ähnlich wie es vom bekannten Entourage-Effekt in den verschiedenen Hanfsorten bekannt ist. Das fertige Dawamesk ist eine grüne Paste, von der eine kleine Messerspitze entweder pur konsumiert, oder auf andere Speisen wie ein Brotaufstrich aufgetragen wird. Dazu trinkt man häufig Kaffee auf arabischer Art.
Verbreitung im Europa des 19. Jahrhunderts
Es gab Zeiten in Europa, in denen Hanf und weitere Drogen weitverbreitet waren. Sie fanden sowohl als Genussmittel als auch Heilmittel Anwendung. Vor allem zu nennen ist hier das 19. Jahrhundert. Damals war auch Dawamesk in Europa bekannt und man geht davon aus, dass diese Süßspeise dazu beigetragen hat, Cannabis in unseren Breitengraden deutlich bekannter zu machen. Besonders von Frankreich ausgehend, erlangten Hanfzubereitungen eine immer größere Popularität in Europa. Dies hängt unter anderem mit der Eroberung Algeriens durch Frankreich in den Jahren 1830 bis 1847 zusammen.
Im Zuge dessen gelangten Hanfprodukte wie Haschisch und Dawamesk nach Europa. Eine besonders zentrale Rolle spielte Dawamesk im Club der Haschischesser. Dabei handelte es sich um einen Club, der 1844 in Paris gegründet wurde. Die Mitglieder bestanden vorrangig aus Schriftstellern, Dichtern und Psychologen. Der Club traf sich regelmäßig in einem Pariser Hotel, um sich mit oral eingenommenen Hanfprodukten zu berauschen. Besonders Dawamesk war hier ein wichtiger Begleiter.
Man wusste bereits damals über die kreativitätsfördernde und psychedelische Wirkung von Hanf Bescheid und nutzte diese, um neue Inspirationen zu erlangen und die menschliche Psyche besser zu verstehen. Jacques-Joseph Moreau, der Gründer des Clubs, war Psychiater und Arzt. Bei seiner Reise durch den Orient von 1836 bis 1840 lernte er Haschisch und Dawamesk kennen. Er war von dieser Wirkung und deren bewusstseinserweiterndem Potenzial so begeistert, dass er diese Produkte mit nach Frankreich nahm und den Club der Haschischesser gründete.
Wichtige Bedeutung in der traditionellen Medizin
Der genaue Zeitpunkt, als Dawamesk das erste Mal in der Literatur erwähnt wurde, kann nicht datiert werden, jedoch ist davon auszugehen, dass die Zubereitung bereits im Mittelalter der arabischen Welt bekannt war. Im Werk „Kanon der Medizin“, das vom persischen Arzt Avicenna im 11. Jahrhundert verfasst wurde, werden an einigen Stellen oral eingenommene Zubereitungen aus Hanf erwähnt.
Hanf galt bereits damals als Heilmittel gegen eine Vielzahl an Beschwerden. Auch Jacques-Joseph Moreau war von der medizinischen Wirkung überzeugt und veröffentlichte mehrere Werke dazu. Da er selbst Psychologe war, ging er davon aus, dass man damit Geisteskrankheiten erforschen und heilen kann. In Selbstversuchen kam er zu dem Ergebnis, dass die stark veränderte Perspektive, welche durch Dawamesk ausgelöst wird, Depressive von gedanklichen Sackgassen befreien und sie auf diese Weise heilen kann.