Eine aktuelle Studie bestätigt, was viele Konsumenten schon lange wissen: Der Konsum von THC beeinträchtigt nicht die Fähigkeit, Emotionen oder Impulse zu kontrollieren. Im Gegensatz dazu ist bei Alkohol der Zusammenhang mit Kontrollverlust und Aggressionen längst erwiesen. Dennoch ist es wichtig, solche Effekte auch unter kontrollierten Bedingungen wissenschaftlich zu erfassen – denn viele Vorurteile halten sich hartnäckig, insbesondere in konservativen Kreisen. Das Klischee vom kriminellen „Kiffer“ ist ein Produkt jahrzehntelanger Propaganda.
Umfangreiche Testverfahren unter THC-Einfluss
Ein Forscherteam der Oregon State University untersuchte in einer kleinen Studie 12 erfahrene THC-Konsumenten. Die Teilnehmenden konsumierten ihr eigenes, mindestens 20 % starkes Marihuana. Vor und während des akuten Rausches durchliefen sie verschiedene psychologische Tests zur Erfassung der Emotions- und Impulskontrolle. Ein zentraler Bestandteil war der sogenannte EGNG-Test: Dabei erkennen die Teilnehmenden schnell wechselnde Gesichtsausdrücke und ordnen sie bestimmten Tasten zu – ein Verfahren, das auch bei der Diagnostik von Aggression oder Borderline-Störungen eingesetzt wird.
Zusätzlich wurden Reaktionszeit und Trefferquote gemessen. Ergänzend füllten die Probanden Fragebögen zu seelischem Befinden und Substanzkonsum aus – speziell zur Erkennung potenzieller Vorbelastungen wie ADHS.
Keine messbare Beeinträchtigung durch THC
Die Ergebnisse waren eindeutig: Weder die Reaktionsgeschwindigkeit noch die emotionale Zuordnung veränderten sich unter THC-Einfluss. Auch subjektiv gaben die Teilnehmenden keine Einschränkungen in der Impulskontrolle an – im Gegenteil: Viele beschrieben sogar eine verbesserte Stimmung. Selbst bei hohem THC-Gehalt blieben die Testergebnisse stabil. Die Studie liefert damit messbare Hinweise darauf, dass THC nicht mit einem erhöhten Aggressionspotenzial in Verbindung steht.
Alkohol als negativer Vergleich
Zum Vergleich: Eine 2012 veröffentlichte Studie mit alkoholisierten Probanden zeigte deutlich verschlechterte Ergebnisse im selben Test. Bereits ab einer Dosis von 0,65 g Alkohol pro Kilogramm Körpergewicht – also im Bereich einer mittleren Alkoholisierung – war die Emotions- und Impulskontrolle signifikant gestört. Die sogenannte „Alkoholmyopie“, eine Art mentaler Kurzsichtigkeit, führt zu riskantem Verhalten und Kontrollverlust – je stärker die Kontrollfähigkeit im nüchternen Zustand eingeschränkt war, desto gravierender die Auswirkung des Alkohols.
Langzeitstudie belegt geringere Gewalt in THC-konsumierenden Haushalten
Dass THC und Gewalt sich nahezu ausschließen, wurde bereits in früheren Studien belegt. Eine US-Studie aus dem Jahr 2014 begleitete 634 Ehepaare über neun Jahre hinweg. Es zeigte sich, dass der Konsum von THC mit einem signifikant geringeren Vorkommen häuslicher Gewalt einherging. Je häufiger konsumiert wurde, desto seltener kam es zu körperlichen Auseinandersetzungen.
Quellen und weiterführende Links
1. Alkohol und Impulskontrolle (EGNG-Test)
Weafer, J., Fillmore, M. T. (2012): Acute alcohol effects on attentional bias in heavy and moderate drinkers.
In: Psychology of Addictive Behaviors, Vol. 26(1), S. 124–132.
DOI: 10.1037/a0024564
2. Cannabis, Emotionen & Impulskontrolle (EGNG-Test, Oregon State University)
Sagar, K. A., Dahlgren, M. K., Racine, M., Dreman, M. W., Gruber, S. A. (2021): Cannabis and emotional functioning: A systematic review of recent findings.
In: Current Addiction Reports, Vol. 8(3), S. 289–302.
DOI: 10.1007/s40429-021-00369-5
3. Cannabis-Konsum und häusliche Gewalt (Langzeitstudie)
Smith, P. H., Homish, G. G., Leonard, K. E., Cornelius, J. R. (2014): Marijuana use and intimate partner violence in a national sample of couples.
In: Psychology of Addictive Behaviors, Vol. 28(3), S. 734–742.
DOI: 10.1037/a0034245