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Cannabisgesetz unter Druck? Dirk Heidenblut über Schwarzmarkt, CDU-Pläne und seine politische Zukunft
In einer neuen Folge des Hanffluenzer Podcasts sprechen Lars und Julian mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Dirk Heidenblut über die politische Lage nach dem vorläufigen Ende der Ampelkoalition, über die möglichen Rückschritte beim Cannabisgesetz und über die Frage, wie sich der Schwarzmarkt tatsächlich entwickelt. Heidenblut, der als einer der profiliertesten Verfechter der Legalisierung gilt, nimmt dabei kein Blatt vor den Mund – und gibt gleichzeitig einen persönlichen Ausblick auf seine Zeit nach der Politik.
Eine Koalition am Ende – was bedeutet das für die Cannabisreform?
Die Ampel ist Geschichte – zumindest in ihrer ursprünglichen Form. Wie Dirk Heidenblut erklärt, regiert die SPD nun mit den Grünen in einer Minderheitskonstellation, die auf wechselnde Mehrheiten angewiesen ist. Eine Zusammenarbeit mit der CDU sei dabei schwierig, weil sich diese inzwischen offen gegen weitere Gesetzesvorhaben gestellt habe. Auch das Cannabisgesetz könnte wieder zur politischen Zielscheibe werden – zumindest, wenn es nach einigen Aussagen der Union geht.
Ein Beispiel: In einer Bundestagsrede führte die CDU-Abgeordnete Launert schwere Gewalttaten als angebliche Folgen der Cannabislegalisierung an – ein Zusammenhang, den Heidenblut als völlig unbegründet zurückweist. Die organisierte Kriminalität im Drogenmilieu sei kein neues Phänomen, sondern eine Realität, die es auch lange vor dem Gesetz gegeben habe. Die Annahme, das Cannabisgesetz habe zu Bandenkriegen und öffentlichen Gewalttaten geführt, sei durch keine Zahlen belegt und entbehre jeder Grundlage.
Halb legal, halb organisiert: die schwierige Zwischenphase
Aktuell kann Cannabis legal konsumiert werden – aber legale Bezugsquellen seien nur eingeschränkt verfügbar. Der Eigenanbau und die Nutzung von Anbauvereinen seien zwar vorgesehen, doch der Aufbau dieser Strukturen verlaufe langsam. Daraus ergebe sich eine Übergangsphase, in der viele Menschen weiterhin auf den Schwarzmarkt angewiesen seien – allerdings nicht, weil dieser attraktiver geworden sei, sondern weil legale Alternativen noch fehlen.
Dass sich der Schwarzmarkt dadurch vergrößere, sei jedoch nicht belegt. Weder aus Deutschland noch aus anderen Ländern mit ähnlichen Reformen gebe es Hinweise auf eine Zunahme. Auch das Bundeskriminalamt gehe eher von einem Rückgang aus. Laut Heidenblut sei die These eines wachsenden Schwarzmarktes vor allem politisch motiviert – und nicht datenbasiert.
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Legalisierung bleibt Stückwerk – ohne Verkauf keine echte Lösung
Wirklich erfolgreich könne die Entkriminalisierung nur sein, wenn die sogenannte „Säule 2“ – also die Modellprojekte mit reguliertem Verkauf – und langfristig auch die „Säule 3“, also eine vollständige Legalisierung, umgesetzt werde. Besonders Gelegenheitskonsumenten, so Heidenblut, hätten weder die Möglichkeit noch das Interesse, Cannabis selbst anzubauen oder sich in einem Verein zu engagieren. Ein regulierter Markt mit verlässlicher Qualität sei deshalb unverzichtbar, um den Schwarzmarkt langfristig zurückzudrängen.
Auch international zeigen Erfahrungen aus Kanada oder den USA, dass Legalisierung nicht zu einem sprunghaften Anstieg des Konsums führt. Im Gegenteil: Gerade bei Jugendlichen sei der Konsum in legalisierten Märkten tendenziell rückläufig. Jedes Gramm, das über einen legalen Weg verfügbar gemacht werde, reduziere die Relevanz des Schwarzmarktes – vorausgesetzt, die Infrastruktur funktioniere.
Erste Erfolge in der Praxis – aber die Bilanz braucht Zeit
Trotz offener Baustellen sieht Heidenblut bereits positive Effekte. Besonders im Bereich der Prävention habe sich viel bewegt: Noch nie sei so intensiv über Risiken und Hintergründe des Cannabiskonsums diskutiert worden. Schulen, Medien, Suchthilfestellen – überall findet Aufklärung statt, mit mehr Offenheit und weniger Stigmatisierung. Auch die Hemmschwelle, sich Hilfe zu suchen, sinke laut Aussagen aus der Suchthilfe.
Die Evaluation des Gesetzes sei allerdings mit einem Jahr zu knapp bemessen, zumal viele Clubs erst mit Verzögerung an den Start gingen. Wirklich belastbare Erkenntnisse werde man erst in den kommenden Jahren gewinnen.
Kritik an der eigenen Koalition: Zu wenig für Prävention und Suchthilfe
Heidenblut zeigt sich in Teilen auch selbstkritisch: Gerade bei der finanziellen Ausstattung der Prävention und der Suchthilfe habe die Ampel versagt. Trotz klarer Absichtserklärungen fehlten am Ende die Mittel – nicht zuletzt, weil Partner wie die FDP an dieser Stelle nicht mitgezogen hätten. Auch die übermäßige Regulierung der Cannabis-Clubs sieht er skeptisch. Ein Beispiel: Der Konsum in den Clubs sei weiterhin nicht erlaubt – eine Regelung, die für ihn nicht nachvollziehbar ist.
Trotz dieser Schwächen überwiege das Positive: Die Entkriminalisierung sei ein überfälliger Schritt gewesen, der viele Menschen aus der rechtlichen Grauzone befreit habe. Arbeitsplätze, Führerscheine, Familien – all das sei nun besser geschützt als zuvor.
Politisches Engagement aus Überzeugung
Warum engagiert sich Dirk Heidenblut so stark für das Thema Cannabis? Seine Antwort ist eindeutig: aus einem tiefen Gerechtigkeitsempfinden. Es sei inakzeptabel, Menschen für Konsum strafrechtlich zu verfolgen – besonders dann nicht, wenn sie damit niemandem schaden. Durch seine beruflichen Erfahrungen in der Arbeit mit psychisch erkrankten und suchtkranken Menschen habe er erlebt, wie kontraproduktiv Kriminalisierung tatsächlich wirke. Hilfe sei gefragt, keine Strafakte.
Dass der Wandel in Deutschland so lange gedauert habe, sei eine Folge politischer Trägheit und moralischer Vorurteile. Umso mehr betont Heidenblut, dass die Entkriminalisierung nur ein erster Schritt sein dürfe – dem weitere folgen müssen.
Rückzug aus der Politik – aber nicht aus dem Thema
Mit dem Ende der Legislatur wird Dirk Heidenblut nicht mehr kandidieren. Sein Rückzug aus dem Bundestag ist langfristig geplant und nicht Folge der aktuellen Lage. Künftig möchte er sich mehr seiner Familie widmen, wieder Theater spielen, vielleicht sogar Sport in einer Mannschaft treiben – kurz: Dinge nachholen, die in der Politik zu kurz kamen. Politisch will er sich zwar nicht mehr einmischen, bleibt dem Thema aber verbunden – vielleicht sogar in Form eines eigenen Podcasts über die Geschichte des Cannabisgesetzes.
Sein Fazit: Die Reform hat begonnen – und sie war notwendig. Jetzt komme es darauf an, sie nicht zurückzudrehen, sondern mutig weiterzuentwickeln. Rückschritte dürfe es keine geben.