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Jeder Mensch, der sich ein wenig mit der jahrtausendealten Hanfpflanze beschäftigt hat, weiß zumindest grob, wie vielseitig und praktisch die aus dem Gewächs gewonnenen Rohstoffe eingesetzt werden können. Schon früh wurde dem Homo sapiens sapiens klar, dass Hanf eine hervorragende Wahl für die unterschiedlichsten Gebrauchs- und Nutzgegenstände darstellt.
So segelte Christoph Kolumbus mit Hanftauen und Hanfsegeln in Richtung Amerika, Henry Ford baute mit dem Soybean/Hemp Car ein Auto, dessen Karosserie mit Hanffasern verstärkt war, und selbst als Viehfutter bietet die Nutz- und Heilpflanze eine beeindruckende Bilanz: Kühe weisen geringere Stressmarker auf, gezüchtete Hühner benötigen bei entsprechender Fütterung keine zusätzlichen Antibiotika mehr.
Neben einem mit Plastik vergleichbaren Kunststoff lässt sich sogar ein Kunstleder aus Hanfanteilen herstellen, wie italienische Entwickler bereits im Jahr 2021 demonstrierten. Nun ist es einem Unternehmen aus Deutschland mithilfe von Fördergeldern gelungen, ein Verfahren zur Herstellung einer Lederalternative aus Hanf so weiterzuentwickeln, dass es in noch mehr industriellen Bereichen eingesetzt werden kann.
Unternehmen aus Darmstadt
Wie auch in Italien haben die Gründer des Darmstädter Unternehmens Revoltech bereits 2021 das Potenzial von Hanf zur Kunstlederproduktion erkannt und sich ihre Herstellungsmethode patentieren lassen. Da Leder und Kunstleder in vielen Bereichen nicht mehr wegzudenken sind – ihre Herstellung jedoch entweder Tieren das Leben kostet oder mit aufwendigen chemischen Prozessen zur Kunststoffgewinnung einhergeht – sind nachhaltige Alternativen dringend erforderlich. Es braucht Herstellungsprozesse, die sowohl Ressourcen als auch Umwelt schonen.
Die Nachfrage nach solchen Alternativen steigt stetig. Auch wenn es weitere pflanzliche Materialien gibt, hat sich das Start-up Revoltech bewusst auf Hanf konzentriert, da das verwendete Hanfstroh als Nebenprodukt beim Hanfanbau anfällt. Mit einer Förderung in Höhe von 125.000 € durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) konnte das Unternehmen sein Hanflederprodukt namens „Lovr“ hinsichtlich Oberflächen, Stärken und Farben optimieren – und es so für viele verschiedene Branchen interessanter machen.
Vorteile dank 100 Prozent pflanzlicher Reststoffe
Das Kunstleder des jungen Unternehmens bietet eine Vielzahl an Vorteilen, die in der heutigen Zeit nicht mehr von der Hand zu weisen sind. Neben dem Einsatz von hundert Prozent pflanzlicher Rohstoffe ist es vollständig frei von Erdöl und anderen Chemikalien und daher biologisch abbaubar. Tierische Bestandteile sind nicht enthalten, sodass man „Lovr“ als veganes Leder bezeichnen kann. Praktisch ist zudem, dass Hanf ein schnell nachwachsender Rohstoff ist, der während des Wachstums deutlich weniger Wasser und Pflanzenschutzmittel benötigt als viele andere Nutzpflanzen.
Da Hanf regional angebaut wird und zur Verbesserung der Bodenqualität beiträgt, lassen sich weitere positive Effekte festhalten. Der DBU-Generalsekretär Alexander Bonde zeigte sich überzeugt, dass es sich hier um eine sinnvolle Förderung handelt. Auf biooekonomie.de wird er dahingehend zitiert, dass positive Effekte für mehr Umweltschutz erzielt worden seien. Die Gründer von Revoltech setzen nicht nur auf ressourcen- und umweltschonende Ansätze, sondern auch auf etablierte Technologien – etwa aus der Papierherstellung – was zu einer schnellen Skalierbarkeit der Produktion beiträgt.
Mehr Variantenreichtum – mehr Einsatzmöglichkeiten
Das seit 2021 patentierte Herstellungsverfahren des Hanfleders „Lovr“ konnte dank der 125.000 € hohen Förderung der DBU so verbessert werden, dass die Qualität deutlich gesteigert wurde – insbesondere in Bezug auf Farbe, Textur und Veredelung, wie Produktionsleiter Lukas Schell erklärt. Nun ist die Produktion in verschiedenen Stärken und mit unterschiedlichen Oberflächen möglich, zum Beispiel geschliffen oder geprägt.
Dies führte dazu, dass Revoltech während der Optimierung ihres Materials bereits den Volkswagen-Konzern als strategischen Partner gewinnen konnte. Die aus Hanf gewonnene Kunstlederalternative soll künftig für verschiedene Anwendungen im Fahrzeuginnenraum bei der Autoproduktion von VW einsatzbereit gemacht werden. Das vegane Leder könnte zukünftig aber auch für zahlreiche weitere Einsatzbereiche genutzt werden. Hanffreunde und die Umwelt dürften sich gleichermaßen über diesen Fortschritt freuen, der dank der Green-Startup-Förderung der DBU ermöglicht wurde.