Ein wachsender Markt trifft auf wachsende Unsicherheit. Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA hat mit ihrem aktuellen Bericht zur Sicherheit sogenannter „intoxicating hemp“-Produkte eine Debatte ausgelöst, die weit über Fachkreise hinausreicht. In den vergangenen Monaten haben sich in mehreren EU-Mitgliedstaaten Produkte ausgebreitet, die aus Hanf gewonnen werden, aber chemisch umgewandelte oder isolierte Wirkstoffe enthalten, darunter Delta-8-THC, HHC oder weitere neuartige Moleküle. Während Hersteller diese Stoffe als legalen Bestandteil eines innovativen Hanfmarktes feiern, warnen Behörden vor erheblichen Wissenslücken.
Die EFSA legt dabei primär den Finger auf eine zentrale Schwachstelle: Die Wissenschaft weiß bislang nicht genau, ob bestimmte Cannabinoid-Isomere überhaupt natürlicherweise in der Pflanze vorkommen oder ob sie nur durch chemische Reaktionen bei der Verarbeitung entstehen. Ebenso fehlen gesicherte Daten zur Toxikologie. Wie die Stoffe im Körper wirken, wie sie metabolisiert werden oder welche Risiken bei regelmäßigem Konsum bestehen – all das ist bislang unklar.
Ein europäischer Flickenteppich
Die regulatorische Situation verschärft die Problematik. Einzelne Länder wie Finnland, Österreich und Frankreich haben bereits Verbote oder stark eingeschränkte Regeln für Produkte wie HHC verhängt. Andere Staaten dulden sie, solange sie aus zertifiziertem Nutzhanf hergestellt werden. Gleichzeitig entstehen neue Märkte, die sich vollständig außerhalb der klassischen Cannabispolitik entwickeln.
Dieser Flickenteppich erschwert sowohl Verbraucherschutz als auch Marktgestaltung. Der EFSA-Bericht stellt klar, dass ohne toxikologische Daten keine harmonisierte Regulierung möglich ist. Die Behörde empfiehlt daher dringend weitere Forschung, bevor politische Entscheidungen getroffen werden.
Industrie und Verbraucher zwischen Erwartung und Realität
Für die Branche bedeutet der Bericht ein potenziell tiefes Einschneiden in einen lukrativen Wachstumssektor. Viele Unternehmen sehen „intoxicating hemp“ als Antwort auf den starken Wunsch nach legalen Alternativen zu klassischen THC-Produkten. Gleichzeitig wächst aber die Sorge, dass Europa – ähnlich wie die USA vor einigen Jahren – eine Phase unkontrollierter Produktvielfalt durchläuft, bevor klare Regeln geschaffen werden.
Verbraucher stehen damit vor einem paradoxen Markt: Einerseits wächst das Angebot, andererseits gibt es kaum verlässliche Informationen über Wirkungen, Dosen oder Risiken. Viele Produkte werden mit Naturbegriffen und botanischer Ästhetik beworben, obwohl hinter ihnen teilweise komplexe chemische Umwandlungsprozesse stehen.
Was jetzt passieren muss
Die EFSA hat den Ball eindeutig in Richtung Politik geworfen. Die Entscheidung darüber, ob bestimmte Cannabinoide erlaubt, verboten oder kontrolliert werden sollen, hängt von der wissenschaftlichen Datenlage ab – und diese ist dünn. Klar ist: Europa kann das Thema nicht länger ignorieren.
Entscheidend wird sein, ob es gelingt, zwei Ziele gleichzeitig zu erfüllen: den Verbraucherschutz auf ein solides Fundament zu stellen und gleichzeitig Innovationen nicht abzuwürgen. Das kommende Jahr dürfte daher wegweisend für die Zukunft dieser Produktkategorie sein.























